PSYCHOSOZIALES ZENTRUM FÜR TRAUMATISIERTE GEFLÜCHTETE. HOFFNUNG FINDEN, BRÜCKEN BAUEN, PERSPEKTIVEN GESTALTEN.

NEWS

Gesundheitliche Versorgung von Geflüchteten - Interview mit Dr. med. Robin T. Maitra

Dr. med. Robin T. Maitra ist Mitglied des Vorstands der Landesärztekammer Baden-Württemberg und deren Menschenrechts- und Klimabeauftragter.

 

Sie sind im Landkreis Ludwigsburg als Hausarzt tätig. Wie bewerten Sie aktuell die hausärztliche Versorgung von Geflüchteten? Vor welchen Herausforderungen stehen Sie und Ihre Kolleg:innen?

Prinzipiell stehen wir vor dem Problem, dass aufgrund der Überalterung von Hausärzten schon in vielen Bereichen die ganz normale Versorgung erschwert ist. Geflüchtete haben dazu häufig noch mehr Schwierigkeiten, adäquate medizinische Versorgung zu erhalten. Einerseits stehen bei den meisten Geflüchteten vor einer ärztlichen Behandlung erhebliche bürokratische Hindernisse, wie zum Beispiel die Notwendigkeit von Berechtigungsscheinen. Auch wenn Geflüchtete nach einem langen Zeitraum von derzeit 1,5 Jahren eine Gesundheitskarte erhalten, ist es oft schwierig, Therapie- oder Behandlungstermine zu erhalten. Selbst, wenn ein Hausärzt:in Kapazitäten zur Behandlung hat, ist die Begeisterung  häufig gering.  Aus dieser Gemengelage kommt es vielfach dazu, dass Geflüchtete mit medizinischen Problemen direkt Krankenhäuser aufsuchen. Ohne zu übertreiben, kann aus meiner Sicht gesagt werden, dass die gesundheitliche Versorgung Geflüchteter nicht ausreichend gesichert ist und dass es neben häufiger Unterversorgung auch häufig zu Fehlversorgung kommt. Das Asylbewerberleistungsgesetz setzt zudem Grenzen, die dem Anspruch einer ausreichenden medizinischen Versorgung gar nicht genügen kann. 

Wie steht es um die Vermittlung in die fachärztliche und stationäre Versorgung?

Wir vermitteln als Hausärztinnen und Hausärzte nur im Ausnahmefall fachärztliche oder stationäre Versorgung. Bei großer Dringlichkeit der Befunde greifen wir natürlich zum Hörer und versuchen nach bestem Wissen und Gewissen Termine für die fachärztliche Versorgung oder die Aufnahme aus der Klinik zu besorgen. Das gestaltet sich aber wirklich als schwierig: Leistungen unterliegen dem Genehmigungsvorbehalt durch Behörden, müssen beantragt und begründet werden. Geflüchtete selbst sind aufgrund der Sprachbarriere und der für Außenstehende kaum zu verstehenden Komplexität des Gesundheitswesens in der Regel nicht in der Lage, hier selbst erfolgreich zu sein.

Gemeinsam mit dem Landesflüchtlingsrat und den Medinetzen fordern Sie die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte in Baden-Württemberg. Wie könnte dies die gesundheitliche Versorgung von Geflüchteten verbessern?

Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen, dass eine elektronische Gesundheitskarte die Versorgung der Menschen selbst deutlich verbessert und sogar die Kosten durch eine Verminderung der Fehlversorgung reduziert. Kranke haben einen direkteren Zutritt in unser Gesundheitswesen, Krankheiten werden direkt und ohne Verschleppung behandelt und bei Nachkontrollen kann der Erfolg der getroffenen Behandlung bewertet werden. Nicht zuletzt ist es auch wichtig, dass mit einer Gesundheitskarte das Verfahren selbst und auch für Ärztinnen und Ärzte die Abrechnung erbrachter Leistungen erheblich vereinfacht werden. Die bisherige überaus aufwändige Abrechnung ist auf Seiten der Kolleginnen und Kollegen sicherlich nicht förderlich für die Bereitschaft zur Behandlung Geflüchteter.

Als Menschenrechtsbeauftragter der Landesärztekammer wirken Sie nach innen und nach außen. Was wünschen Sie sich von Ihren Kolleg:innen in der Ärzteschaft?

Die Ärzteschaft weiß um ihre Verantwortung bei der medizinischen Versorgung Geflüchteter und ist in dieser Hinsicht auch sehr offen. In vielen Bereichen wird die Versorgung über die Ärzteschaften und Kammern unterstützt. Wichtig wäre es, dass mit einer Gesundheitskarte die jetzt bestehenden Barrieren für alle Beteiligten deutlich abgebaut werden könnte. Von meinen Kolleg:innen wünsche ich mir, dass sie in der meist schon sehr knappen Zeit das Quentchen besonderen Aufwand nehmen und mit dem Ethos des ärztlichen Berufs auf die besonderen Bedarf Geflüchteter eingehen.

Welche Möglichkeiten hat die Landesärztekammer bzw. haben Sie als deren Menschenrechtsbeauftragter, sich speziell für die Belange traumatisierter Geflüchteter einzusetzen?

Wir sind als Landesärztekammer Teil eines Netzwerkes von Einrichtungen, die sich die Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung von Migrant:innen stark macht und machen kann! Wir geben einem regelmäßigen Austausch zwischen Kolleg:innen und Kolleg:en zur Frage Geflüchteter, Traumatisierter Raum. Mit unseren Beschlüssen werden wir in vielen Bereichen gehört und haben Kontakte in die zuständigen Behörden, Ämter und Ministerien. Und natürlich haben wir mit unseren Verlautbarungen und Aktionen die Möglichkeit, unter Kolleginnen und Kollegen für eine Verbesserung der medizinischen Situation Geflüchteter einzutreten. Besonders erwähnen möchte ich an dieser Stelle den „Versorgungsbericht zur Lage Traumatisierter Geflüchteter“, der in einer Gemeinschaftsarbeit zwischen Landesärztekammer, Landespsychotherapeutenkammer und Psychosozialen Zentren in unregelmäßigen Abständen entsteht und als sehr hilfreiches Medium einen Blick auf die aktuelle Situation und Versorgung Geflüchteter wirft.

 

17.11.2023

 

 

 

Zurück

Wir setzen ausschließlich technisch notwendige Cookies ein. Detaillierte Infos erhalten Sie unter Datenschutz.

OK, verstanden